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Der Frack – fein für die Welt

complete Magazin 02/23

Seit 165 Jahren kleidet der einstige k. u. k. Hof-Schneider Knize Aristokraten, Reiche und Schöne ein. Seit 2021 ist sein maßgeschneiderten Frack UNESCO-Weltkulturerbe.

Rudolf Niedersüß im Salon des Modeateliers Knize am Wiener Graben
© Atelier Olschinsky/Knize & Comp
Smoking, Frack, Cut
© Knize & Comp
Fertigstellung eines Maßfracks
© Knize & Comp
Illustration von Ernst Deutsch-Dryden für Knize
© Archiv Knize & Comp., o.J.

Kalt, Morgen, Donnerstag, Jänner. Außer von Zulieferern ist der Wiener Graben nahezu menschenleer. Nur vor Nummer 13 stehen Männer in eleganten Mänteln Schlange. Sie warten ungeduldig darauf, dass das Atelier Knize die Türen öffnet. Es gilt seit seiner Gründung 1858 als Institution der hohen Kunst europäischer Herrenmaßschneiderei. Der Architekt Adolf Loos hat das Atelier einst entworfen.

Das Innere des zweistöckigen Salons erinnert an ein Museum. Bei jedem Schritt knarrt und schwingt das Parkett unter dicken Schichten aus grünem Teppich und Perser-Brücken. Die Exponate: nach Farbenschattierungen sortierte Kaschmirpullover, edle Seidenkrawatten, Anzüge aus feinem Zwirn, Manschettenknöpfe und Flakons mit Herrendüften. An den Wänden besiegeln vergilbte Urkunden Knizes Titel als einstiger k. u. k. Hof-Schneider.

Das Gefühl, eine Zeitkapsel betreten zu haben, wird schnell durch rege Betriebsamkeit verdrängt: Unsichtbare Mitarbeiter:innen telefonieren auf einer holzgetäfelten Galerie über den Besucherköpfen Stofflieferungen hinterher. Männer warten auf die Anprobe ihres Fracks, die der 87-jährige Hausherr Rudolf Niedersüß persönlich vornimmt. Ein ganz normaler Morgen der Wiener Ballsaison.

Während einer kurzen Verschnaufpause führt Niedersüß in sein Büro – eine winzige holzgetäfelte Kammer, bis zur Decke voll mit Büchern, Fotos und anderen Erinnerungsstücken. Ein paar Minuten habe er, sagt Niedersüß. Dann käme ein Professor von einer Wiener Kunstuniversität zur Anprobe.

Es werden dann doch einige Minuten mehr, ehe seine Assistentin das Gespräch mit einem resoluten Türklopfen beendet.

Herr Niedersüß, dank Ihres Einsatzes wurde die Maßfrackschneiderei zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Was zeichnet den Wiener Frack aus? 

Rudolf Niedersüß: Da wir in Wien die Tradition der großen Bälle haben, schneidern wir nach wie vor Fracks. Im Ausland gibt es diese Tradition nicht mehr. Natürlich stellen auch dort Firmen Fracks her – aber die können nichts. Man hat sich immer an unseren Fracks orientiert. Mit Ausnahme der Engländer. Aus meiner Sicht hat der englische Frack keinen Charme, da sind wir Wiener besser. Das liegt am Schnitt, an den Materialien. Wir verwenden beispielsweise immer noch einen wunderbaren Piqué für die Weste. Den hat heutzutage sonst niemand mehr. Auch liegt es an der Form der Weste – wenn die nicht gerade ist, sondern einen Bogen nach unten macht, sieht das für mich aus, als würde sie schmollen.

Was ist denn ein No-Go beim Frack?

Niedersüß: Beispielsweise darf die Weste keinesfalls unter dem Jackett hervorschauen. Der am meisten verbreitete Fehler: Heutzutage liefern alle Hosen, die viel zu tief sitzen. Das Wichtigste beim Frack sind die Proportionen: Das Oberteil muss kurz sein, die Hose hoch sitzen, damit die Beine möglichst lang wirken – unabhängig von der Statur des Trägers. Selbst kleine, dicke Männer sehen in einem gut sitzenden Frack wohlproportioniert aus. Aber die meisten haben eben keine Ahnung von Proportionen. Obwohl es nicht unser Betriebsgeheimnis, sondern vielmehr das kleine Einmaleins der Frackschneiderei ist, sind die meisten Hersteller dagegen resistent. Das wiederum ist unser großer Vorteil.

Knize steht für zeitlos-klassische Herrengarderobe: „unmodisch seit 150 Jahren“, wie Sie selbst einmal konstatierten. Ist der Frack noch zeitgemäß?

Niedersüß: Frackpflicht herrscht heute nur noch bei Papst-Audienzen, Staatsbesuchen und den drei großen Wiener Bällen. Abseits dieser Bälle gibt es überall in Europa opulente Hochzeiten, die im großen Rahmen gefeiert werden und wo die Braut-Soirée im Frack stattfindet. Das ist einfach so: in Deutschland, Italien, Norwegen, Schweden. Und sie alle kommen zu uns, um sich einen Frack machen zu lassen.

Wie viele Fracks haben Sie derzeit in Arbeit?

Niedersüß: Zwischen dreißig und vierzig. Während der zwei Pandemiejahre haben wir drei Fracks verkauft. Wir sprechen hier von konfektionell gefertigten Fracks. Natürlich machen wir auch noch Fracks nach Maß, aber selten. Beide werden nach demselben Schnitt, der von mir stammt, genäht – Maßanfertigungen hier im Haus, die Konfektion in Italien.

Wie viel kostet ein Maßfrack aus dem Atelier Knize?

Niedersüß: Nach Maß etwa 13.000 Euro, wenn wir ihn machen lassen, 3.000. Ein Riesenunterschied.

Wie viele Arbeitsstunden stecken im Maßfrack?

Niedersüß: Rund hundert Stunden. Es gibt nun einmal Kunden, die sagen, ich kann gar nicht anders als nach Maß. Wir haben einen Herrn, der immer nur nach Maß bekam, aber inzwischen auch von unserer Konfektion kauft. Eines Tages kam er mit seinem Sohn zu uns. Bei der Frage „Maß oder Konfektion“? – passend wäre ein Konfektionsanzug gewesen – sagte der Vater: „Sollen wir ihn gleich verderben?“

Sieht man den Unterschied?

Niedersüß: Nein. Es geht um das Wissen, dass einem der Anzug auf den Leib geschneidert wurde, um die Exklusivität. Wir haben immer große aristokratische Häuser eingekleidet, und selbst deren jüngere Generation trägt heute Konfektion. Was zählt, ist, dass der Frack wirklich sitzt, dann fühlt sich der Träger automatisch gut. Viele Kunden kommen zum Einkleiden vor dem Ball zu uns, denn ein Frack ist nicht einfach anzuziehen. Da gibt es dann auch ein Glas Champagner in schöner Atmosphäre. Ein guter Frack ist eben ein richtiges Erlebnis.

In „Wittgensteins Neffe“ schreibt Thomas Bernhard über seinen Freund Paul Wittgenstein, der angeblich bei Ihnen zwei weiße Fracks geordert haben soll. Sie kommentierten die Geschichte, es sei ein einer Champagnerlaune geschuldeter Jux gewesen, es gebe keine weißen Fracks. Wieso nicht?

Niedersüß: Fracks sind nun einmal immer schwarz. Wir haben Paul Wittgenstein seinen gewünschten weißen Frack genäht, schließlich hat er ihn ja auch bezahlt, aber das war reine Spinnerei. Der Wittgenstein war halt exaltiert. Die beiden haben sich damals eine Zeit lang jeden Morgen im Sacher getroffen und Champagner gefrühstückt. Da kommt man dann eben auf solche Ideen. Wittgensteins weißer Frack ist lange bei uns herumgehangen, er war quasi ein Scherzartikel.

Sie erfüllen Ihren Kunden auch exzentrische Wünsche in Sachen Frack?

Niedersüß: Selbstverständlich, aber es wäre dann in meinen Augen eben kein Frack.

Lassen auch Frauen einen Frack maßschneidern?

Niedersüß: Die einzige Frau, für die ich jemals einen Frack geschneidert habe, war die Künstlerin Irene Andessner. Sie hat darin die Hochzeit von Marlene Dietrich nachgestellt. Das ist schon gute 24 Jahre her. Sie schlug vor, als Dankeschön gemeinsam im Frack zum Opernball zu gehen, musste dann aber kurzfristig aus privaten Gründen absagen. Dafür habe ich an jenem Abend meine heutige Frau am Opernball kennengelernt.

© Knize & Comp

TIPP

Modeatelier Knize

1., Graben 13
www.knize.at

Bild: Knize-Chef Rudolf Niedersüß beim Zuschnitt eines Fracks

 

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