Genuss im Weindorf
complete Magazin 2024
Eine Reise ins herbstliche Südtirol verspricht Entspannung und Genuss. Die Apfelernte ist eingebracht, die Trauben sind gelesen und die Winzer verlagern ihre Arbeit in die Weinkeller. Nun beginnt die Zeit des „Törggelen“. Das kommt vom lateinischen Wort „torculum“ und bedeutet Weinpresse.
Zu behaupten, dass Italien in den letzten 50 Jahren keine Weinskandale zu verzeichnen hätte, wäre nicht ganz richtig. Der letzte große Vorfall „erschütterte ganz Italien“, wie die Gazetten 2008 titelten. Nachdem im selben Jahr schon kontaminierter Mozzarella aufgeflogen war, fanden sich schädliche Mengen an Salzsäure in vorwiegend billigen italienischen Weinen. Auch edler toskanischer Brunello aus den besten Weingütern wurde beschlagnahmt, weil er zur Gewinnmaximierung unsachgemäß verschnitten wurde.
Verpflichtung zur Qualität
Solchen Methoden wollte man in der Weinregion um Kaltern keinesfalls auch nur den geringsten Nährboden geben. Im Jahr 2010 schlossen sich daher Winzer:innen und Produzent:innen zusammen, um neue Qualitätsmaßstäbe zu setzen. Das ambitionierte Ziel: den besonderen Charakter der Kalterersee-Weine als gebietstypisch und einzigartig zu fördern und weiterzuentwickeln.
Die eigens ausgearbeitete Charta darf als Selbstverpflichtung gelesen werden: Die Weine müssen nach strengen Richtlinien produziert werden. Berücksichtigt wird die Charakteristik des Weines, zugleich spielen auch die Lagen eine Rolle. Für die Reben ist ein Mindestalter von rund 30 Jahren festgelegt. Die so reduzierten Ertragsmengen tragen wesentlich zur Qualitätssteigerung bei. Gekennzeichnet sind die Weine mit dem Qualitätssiegel „Selection Kalterersee D.O.C.“.
Rubinrot zur „Marende“
Die autochthone Vernatsch-Rebe gilt als die älteste heimische Rebsorte Südtirols. Die aus ihr gewonnenen Weine changieren zwischen hellen, klaren und kräftig leuchtenden rubinroten Tönen. Allzu lange braucht der Kalterersee nicht im Keller zu liegen. Er schmeckt – etwas kühler als andere Rotweine – am besten jung und sollte nach ein bis zwei Jahren ausgetrunken sein.
In der Region wird der Kalterersee gerne zur „Marende“ serviert. Das ist eine traditionelle Jause mit Speck, Würsten, Käse und gutem Brot.
Im Herbst geht’s ans „Törggelen“ – ein kulinarischer Brauch, bei dem der neue Wein verkostet wird. Hier wird gerne ein „Nuier“ eingeschenkt – ein junger, frisch gekelterter Wein. Beim Törggelen kommen traditionell hausgemachte Schlutzkrapfen, Knödel, Surfleisch, Hauswürste mit Sauerkraut, süße Krapfen und gebratene Kastanien auf den Tisch.
Es herbstelt
Ab September zeigt sich die Landschaft rund um den See in roten, orangefarbenen und goldenen Tönen. Weinberge, Wälder und Obstgärten leuchten, der See liegt tiefblau da. Nur selten sind darin noch hartgesottene Schwimmer:innen auszumachen. Weitläufige Wanderwege durch Weingärten und umliegende Wälder bringen jetzt die Gäste rasch in Erholungsmodus. Folgt man etwa dem Wanderweg Nr. 2 durch die kühle Rastenbachklamm, ist das Mobilnetz schon nach den ersten Metern unterbrochen. Die Wanderung inklusive unfreiwilligem Handy-Detox hilft beim Abschalten und Seele-baumeln-Lassen. Auf weiten Strecken umhüllt Wandernde nun das Tosen des Wassers samt feinem Sprühregen. Über Wege und Stege, über Stiegen, Brücken und Wurzelwerk windet sich der Pfad durch die Klamm nach oben.
Ausblicke und Brettljause
Eine Aussichtsplattform bietet das volle Panorama über den 1,8 Kilometer langen See, bevor die Ruine der vermutlich ältesten Kirche Südtirols auftaucht. Die Mauern der St. Peter Basilika erheben sich majestätisch mitten im Wald. Heute sind noch Reste einer dreischiffigen Basilika aus der Zeit der Christianisierung zu orten. Ihre Ursprünge reichen bis in das 4. Jahrhundert nach Christus zurück. Nach gut zwei Stunden wieder zurück im Ort, darf es eine zünftige Brettljause sein, bevor es zur ersten Weinverkostung geht.
Wein auf Bier, das rat’ ich dir
Eine solche Verkostung kann man im Weingut Moser machen, am besten gleich mit Kellerführung. Dass hier etwas anders ist als auf herkömmlichen Weingütern, erschließt sich rasch: Im Betrieb in Unterplanitzing bei Kaltern an der Südtiroler Weinstraße wird nicht nur Wein produziert. Eine hochmoderne Bierbrauanlage sticht ins Auge, sie nimmt einen beträchtlichen Teil des Kellers ein. Die Idee dazu entstand im Jahr 2020 in einer launigen Runde rund um den Seniorchef Franz Moser. Das Bier nannte man kurzerhand „Mendelbier“, nach dem Hausberg von Kaltern.
Kellermeister und Bierbrauer
Gerhard Sanin gilt als einer der besten Kellermeister Südtirols. Als Gewinner der höchsten Auszeichnung, der „Tre Bicchieri“, für eine Kalterersee Auslese ist mit ihm ein erfahrener Könner im Weinkeller der Familie Moser tätig. 2020 avancierte er dann auch noch zum Bierbrauer. Der Kellermeister entwickelte eigene Rezepturen für die mittlerweile überaus beliebten Craft-Biere. Über deren Ablaufdatum macht er sich keine Sorgen: „Wir filtrieren und pasteurisieren nicht, weil’s schmecken soll und eh schnell weg isch!“, erklärt er.
Der Hopfen für die Brauerei wird von Benita Moser in der familieneigenen Landwirtschaft angebaut. Die Tochter des Hauses hat, ebenso wie ihre beiden Brüder Dominic und Daniel, bereits einen Bereich des elterlichen Betriebs übernommen. Dazu gehört auch ein Hotel inmitten der Weinberge mit Blick auf den See (machen Sie mit beim Gewinnspiel). Dort zaubert das Küchenteam regionale Küche zwischen alpiner Bodenständigkeit und mediterraner Leichtigkeit auf die Teller. Herbst, was willst du mehr?
Tipps
SEELEITEN Lake Spa Hotel
Als südlichstes Fünf-Sterne-Hotel Südtirols liegt das SEELEITEN Lake Spa Hotel am Kalterer See.
Weingut Moser
Tolle Weine, selbst gebraute Craft-Biere und fürs Längerbleiben geschmackvoll eingerichtete Ferienwohnungen.
Kaltern Pop
Dreitägiges Musikfestival vom 24. bis 26.10.2024 mit Konzerten an verschiedenen schönen Plätzen in und rund um Kaltern.
Kalterer Weinkulinarium
m 5.10. treffen sich die Kalterer Weinproduzent:innen auf dem Marktplatz, um auf die vergangene Saison anzustoßen.
Bild: Kalterer Weintage