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Der neue kleine Laden

complete Magazin 2024

Ob in der Innenstadt oder der Provinz: Selbstbedienungsautomaten und unbetreute Containershops boomen stadtauf, landab. Was sie können und warum viele nicht 24/7 offen halten dürfen.

 

Klassisches Automaten-Snackprogramm. Vor allem die scharfen Takis sind bei den Jungen beliebt
© Karin Wasner
Österreichs einziges Automaten-Diner: Ingomar Lex´ Snack Lounge in Döbling
© Karin Wasner
Auf dem Land übernehmen Containershops wie der Genussladen mancherorts die Rolle von Nahversorgern
© Birgit Wittstock
Der coronabedingte Automatenboom treibt mancherorts skurrile Blüten
© Birgit Wittstock

Ein Ortsrandphänomen. Auf dem Land, wo Einkaufszentren und Parkplätze für Gewerbeflächen entlang der Bundesstraßen wuchern, stehen sie: Lebensmittelautomaten und Selbstbedienungs-Containershops. Während der Corona-Lockdowns rückten sie auch Richtung Zentrum. Nun sind sie selbst in der Großstadt vom seltenen Kuriosum zum günstigen Leerstandsfüller geworden.

Laut Schätzung der Österreichischen Verkaufsautomaten Vereinigung (ÖVV) wurden 2022 rund 140.000 Automaten betrieben. Das Spektrum reicht von Containershops, in denen Landwirt:innen und Direktvermarkter:innen frische, regionale Produkte zur Selbstbedienung anbieten, über Automatenshops, die Großstadtnachtschwärmende außerhalb der Ladenöffnungszeiten mit Snacks, Softdrinks, Alkoholischem, Shisha-Tabak und CBD-Produkten versorgen. Selbst Blumen, Handy-Accessoires, Fahrradschläuche, Sonnenbrillen und Apothekenprodukte gibt es zum Rausdrücken.

Gesetzliche Hürden für Automaten

Die Selbstbedienungsautomaten sind gekommen, um zu bleiben. Der große, covidbedingte Boom ist jedoch wieder abgeflacht. Zum einen, weil sich auch ein Automatenbusiness nicht von selbst schupft. Zum anderen, weil gestiegene Energie- und Rohstoffpreise bei so manchen Neo-Automatenbetreibenden für Ernüchterung sorgten. Außerdem lauern juristische Fallstricke in Sachen 24/7-Öffnung und Jugendschutzbestimmungen beim Selbstbedienungsbetrieb.

Zwar sind auf öffentlichem Grund oder im Freien aufgestellte Automaten nicht an die gesetzlich vorgegebenen Öffnungszeiten des Handels gebunden. Werden sie jedoch in einem geschlossenen Raum etwa in Form eines Containershops oder Automatenladens betrieben, gilt dieser als Betriebsstätte und somit das Öffnungszeitengesetz. Das heißt, statt rund um die Uhr sind nur 72 Stunden pro Woche erlaubt.

Auch dürfen alkoholische Getränke ausschließlich in solchen Betriebsstätten sowie in Verbindung mit Altersabfrage verkauft werden. Eine zusätzliche Erschwernis: Die Altersverifizierung per Bankomatkarte reicht nicht aus. Laut dem zuständigen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort muss eine Kontrolle des Lichtbildausweises erfolgen.

American Diner als Kaffeeautomat

In der sogenannten Vending-Branche lässt es sich auch gut ohne Alkohol auskommen. Das beweist die Snack Lounge von Ingomar Lex. Sein Automatenlokal auf der Döblinger Hauptstraße erinnert an ein klassisches American Diner, wie man es aus Hollywoodfilmen aus den 1950er-Jahren kennt: Schwarz-weißer Fliesenboden mit Schachbrettmuster, drei Sitzgruppen in stilechtem Rot-Weiß, an den Wänden sorgen Pin-ups, Neonschriftzug, eine Fotogalerie der Besucher:innen und Spiegel für Retro-Feeling.

Auf die – dem Klischee entsprechende – überarbeitete Kellnerin, die einem regelmäßig die Tasse mit Filterkaffee auffüllt, wartet man allerdings vergeblich. Kaffee muss man sich hier in gewünschter Zubereitungsart aus dem Automaten drücken. „Der Kaffee von Illy und Lavazza ist meine USP“, erklärt Snack-Lounge-Betreiber Ingomar Lex stolz. Sein Automat sei der einzige mit Barista-Feinjustierung.

„Klasse statt Masse“ sei schon immer sein Wahlspruch gewesen, sagt Lex, der als Pensionist im Mai 2022 mit der Snack Lounge das „erste Automaten-Diner in Österreich“ eröffnet hat. Sein Verkaufsschlager ist, getreu dem Diner-Motto, Coca-Cola. Und zwar eisgekühlt in der kleinen Glasflasche. Außerdem sind die Automaten mit Snacks, Softdrinks und verschiedenen hochwertigen CBD-Produkten gefüllt. Für die Paninis steht eine Aufbackstation bereit.

Der Automat als Frühstücksstation

Er habe keinen unpersönlichen Automatenshop gewollt, sagt Lex. „Es braucht eine gute Atmosphäre, dann fühlt man sich wohl.“ Das, so meint er, sei auch der Grund, warum Vandalismus in der Snack Lounge kein Thema sei.

Ab fünf Uhr morgens, wenn sich die Eingangstür automatisch entriegelt, kommen Menschen aller Altersstufen aus der Nachbarschaft. Sei es, um in aller Ruhe einen ersten Kaffee aus dem Automaten zu ziehen oder eine Kleinigkeit zu essen, sei es auch nur, um sich vor der großen Spiegelwand zu schminken, zu tanzen oder Selfies zu machen.

Zur letzten Runde muss man sich hier selbst mahnen: Um zwei Uhr morgens schließt die Zeitschaltuhr die Tür der Snack Lounge wieder ab.

Feinkostautomaten für Regionales

Auf dem Land sind Containershops mit Selbstbedienung kein Zusatzangebot. Sie füllen die Lücken in der Nahversorgerinfrastruktur. Das lässt sich auch am Warenangebot ablesen: Statt des in der Stadt üblichen partytauglichen Snacks-Drinks-Alkohol-Rauchwaren-Programms bieten die Containershops in der Provinz, oft kleinen Feinkostläden ähnlich, frische, regionale Delikatessen, meist in Bio-Qualität.

Im Genussladen, einem der beiden Containershops, den Familie Stix im Mostviertel seit gut einem Jahr neben ihrem Vermarktungszentrum „Käsehütte“ betreibt, kann man täglich einkaufen. Der Sortimentsschwerpunkt: verschiedene Bio-Käse aus eigener Produktion, aber auch Fleisch, Gebäck, Mehlspeisen, Milchprodukte und Eingemachtes – alles von Betrieben aus der Umgebung.

Die Stix, lokale Pioniere in Sachen Direktvermarktung, nutzen auch ihre Selbstbedienungsläden als Vermarktungsplattform für lokale Produzent:innen. In den vergangenen Jahren habe es ein großes Umdenken bei den Konsument:innen gegeben, erzählt Georg Stix. „Regionale Betriebe sind heute sehr wichtig. Die Einheimischen haben einen Bezug zu ihnen, und wir bringen in unseren Genussläden alle zusammen.“

Die Containershops hätten viel Zukunftspotenzial, meint der Geschäftsführer der Käsehütte Stix. „Hier lässt sich angenehm einkaufen. Und das Konzept Selbstbedienung funktioniert generationsübergreifend.“

©  Karin Wasner

TIPPS

In Purgstall an der Erlauf, Wieselburg-Land und Maria Taferl füllt Familie Stix die Regale von Genussladen und Käsehütte täglich mit Produkten aus fairer Landwirtschaft.

Die Snack Lounge im 19. Bezirk in Wien sorgt täglich von fünf Uhr bis zwei Uhr für frisch gemahlenen Illy-Kaffee, Suppe und ofenfrische Panini.

Erdbeer-Obers, Tiramisu oder Sacher – in den Tortenautomaten der Konditorei Handl in der Steiermark lauert die süße Versuchung rund um die Uhr.

Wildschweinsalami, Ziegenkäsebällchen, Marillenmarmelade, Lamawollsocken und Prosecco – im Gmoabauernladen im nördlichen Niederösterreich verkaufen regionale Produzent:innen ihre Erzeugnisse.

Frisches Fleisch vom Alprind und Strohschwein warten im Regiomat am Bluamahof in Dornbirn auf das nächste Grillfest.

Bild: Im Gmoabauernladen in Niederkreuzstetten wartet Handgestricktes vom Alpaka

 

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