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Essen, gut und fotogen

complete Magazin 04/23

Authentisch, gut im Geschmack und schlicht fotografiert. So sieht Food-Fotografie im neuen Stil aus. Mara Hohla ist darin Meisterin.

Panna Cotta inszeniert à la Hohla: puristisch und natürlich – und mit echtem Schlagobers statt fotogenem Rasierschaum
© Butter&Salt
Die 31-jährige gebürtige Salzburgerin legt größten Wert auf Nachhaltigkeit: Was sie fotografiert, wird auch gegessen
© Butter & Salt
„Picture Perfect“ war gestern. Mara Hohlas Motto lautet „seeking comfort“ – und das sieht man. Hier z.B. für SPAR Mahlzeit! Magazin
© Butter&Salt/SPAR
Hohla stylt und fotografiert nicht nur, sie entwickelt in der Küche ihres Meidlinger Studios auch Rezepte. Etwa jenes für Orangenkuchen
© Butter&Salt

Kein Lack, kein Rasierschaum, kein Haarspray und keine Zahnpasta am Teller. Kein Spülmittel in Saucen, um beim Aufschlagen appetitliche Schaumkrönchen zu erzeugen. Ihre Speisen dampfen vor Hitze und nicht, weil sie mit gestäubtem Zigarettenrauch vernebelt werden. Statt Styropor, Spatel und Spritze liegen in ihrem Studio Öl und Pinsel, Pinzetten und Wasser im Zerstäuber bereit. Die Foodstylistin und -fotografin Mara Hohla bastelt keine Attrappen für Fotoshootings und verzichtet auf künstliches Teller-Make-up. Wer isst schon gern lackiertes Gemüse oder mit Haarfarbe frisierten Fisch? Die Gerichte der 31-jährigen gebürtigen Salzburgerin sollen nicht nur vorteilhaft, sondern möglichst natürlich aussehen. Nach dem Fotoshooting landen sie im Magen, nicht im Müll.

Mara Hohla, mit Ihrem Studio „Butter and Salt“sind Sie auch für große Unternehmen tätig. Wie bleibt man in einer Branche authentisch, die ihre Brötchen mit dem schönen Schein verdient?

Mara Hohla: Klassische Kulinarik-Werbefotografie, wie man sie auf großen Plakatwänden sieht, würde ich auch aus moralischen Gründen nicht machen. Ich arbeite ausschließlich mit Unternehmen zusammen, die meine Werte in Bezug auf Qualität und den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln, Tieren und Ressourcen teilen. Wobei da gerade sehr viel in Bewegung ist. Das spiegelt sich auch in der Foodfotografie: Viele Marken gehen weg von Picture Perfect. Natürlichkeit ist angesagt. Plötzlich sieht man Reste von Saucen oder es liegt die benutzte Gabel auf dem Teller. Auf dem Tisch stehen geleerte Weingläser, das Tischtuch hat Flecken. Durch das Fehlen der Speisen entsteht subtiles Kopfkino. Das entspricht meinem Motto: seeking comfort. Ich brauche das Perfekte nicht.

„Das Tierwohl steht bei mir ganz oben“

Wer sind Ihre Vorbilder?

Hohla: Mit meinem Foodblog „Stadtmärchen“ orientierte ich mich immer an der anderen Seite des Atlantiks. Also vor allem an Nordamerika. Mein größtes Vorbild ist Aran Goyoaga. Ihre Art zu fotografieren möchte ich auch verkörpern: Emotion und Lebendigkeit. In Österreich ungeschlagen: Katharina Seiser. Ich bewundere ihre Arbeit wirklich sehr. Sie erarbeitet ihre Rezepte mit unglaublicher Präzision und Gewissenhaftigkeit. Wodurch sich auch das Wichtigste ergibt: die Gelingsicherheit. Schließlich gibt es kaum etwas Frustrierenderes als einzukaufen, stundenlang zu kochen und am Ende schaut nichts dabei heraus.

Wo steht das Tierwohl in Ihrem Wertekatalog?

Hohla: Ganz weit oben. Wenn es um ethisch produzierte tierische Lebensmittel in Bio-Qualität geht, sind wir sofort bei der Frage der Leistbarkeit. Ich weiß, es ist umstritten, aber wenn man bei der Menge Abstriche macht, kann man sich hierzulande tierische Lebensmittel leisten, deren Qualität passt. Für meine kulinarischen Reportagen habe ich weit über hundert Produzent:innen besucht. Seit ich gesehen habe, was Tierwohl und artgerechte Haltung wirklich bedeuten, kann ich es mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, tierische Produkte zu kaufen, die anders produziert wurden. Meine Kund:innen wissen, dass ich keine tierischen Produkte aus konventioneller Haltung verwende. Finanziell grabe ich mir dadurch zwar selbst Wasser ab. Gleichzeitig definiert es mein Standing: Wer mich bucht, weiß, wofür ich stehe.

Ist nachhaltige und hochwertige Ernährung nicht vor allem eine Ressourcenfrage?

Hohla: Ja und nein. Es ist natürlich ein privilegierter Ansatz zu sagen: „Dann esse ich halt weniger Fleisch.“ Aber im Grunde ist es auch eine Frage des Wissens, denn pflanzliche Produkte sind günstiger, gesünder und ökologisch nachhaltiger. Doch wenn ich nicht über das Wissen verfüge, wie ich sie verarbeiten kann, greife ich auf Altbekanntes zurück. Ich frage mich auch oft, wie ich es moralisch vertreten kann, essen zu gehen oder mir einen Snack zu kaufen. Man studiert also stundenlang Etiketten, und das bekommt schnell etwas Elitäres, denn so viele Menschen haben weder die Zeit für diesen Aufwand noch die finanziellen Mittel. Für mich persönlich lautet die Lösung Direktvermarktung. Da wird mir Transparenz geboten. Auch, was die Preisgestaltung betrifft. Es gibt auch in Wien mitten in der Stadt Ab-Hof-Läden.

„Ab-Hof-Verkauf ist auch in Wien möglich“

Direktvermarktung als Lösung für alle?

Hohla: Derzeit scheitert sie noch an Fragen wie Zugang, Zeit und Wissen. Natürlich interessieren sich nicht alle Menschen gleichermaßen für die Herkunft ihrer Nahrungsmittel. Das ist legitim. Wir müssen unterscheiden zwischen der Kulinarikblase und der breiten Masse. Das billige Schnitzel wird es auch weiterhin brauchen. Doch immer mehr Beispiele zeigen, dass Direktvermarktung auch für das kleine Lokal am Eck funktionieren kann. Wenn du die Bedingungen in der konventionellen Haltung gesehen und die Zusammenhänge verstanden hast, wie willst du jemals wieder zu Produkten aus der konventionellen Tierhaltung greifen? Das funktioniert nicht.

Wie sieht es diesbezüglich in der Gastronomie aus?

Hohla: Die ganzheitliche Gastro ist im Kommen. Es werden immer häufiger Produzent:innen als Bezugsquellen auf der Speisekarte angeführt. Dabei geht es einerseits darum, sie vor den Vorhang zu holen und ihrer Arbeit Respekt zu zollen. Andererseits zeigt das auch, dass man nichts zu verbergen hat. Früher war es mir unangenehm, nach der Herkunft der Lebensmittel zu fragen, aber mittlerweile habe ich es gelernt. Wenn du nachfragst, woher die tierischen Produkte sind, dann lautet die Antwort leider oft: „Na ja, aus dem Großhandel“, oder es gibt gar keine Antwort. Auch in Chichi-Lokalen. Da fehlt oft die Transparenz.

Könnte man in Österreich alle Menschen mit Biolebensmitteln ernähren?

Hohla: In Österreich ginge das definitiv. Wir haben sowohl die notwendigen Flächen als auch das Know-how sowie Infrastruktur und Vermögen, um das durchzuziehen. Man braucht sich nur Wien plus Umland anzusehen: europaweit die einzige Großstadt, die sich mit lokalem Gemüseanbau selbst versorgen könnte. Was tierische Produkte angeht, sieht es anders aus. Was ist die Lösung? Weniger, dafür hochwertigere tierische Produkte konsumieren.

© Butter&Salt

TIPPS

Food-Fotografie & Food-Styling auf der Suche nach Echtheit.

www.butter-salt.com

Mara Hohla kauft am liebsten auf Märkten und in Ab-Hof-Läden ein. Regionale Produkte für ihre Fotoshootings findet sie etwa in dem – ihrem Studio nahegelegenen – Hofladen Heu und Gabel am Meidlinger Markt.

www.heuundgabel.at

Bild: Seit 2017 betreibt Mara Hohla ihren Food-Blog Stadtmärchen. Auf www.stadtmaerchen.at schreibt sie über ihre Liebe zu Wien und zum Kochen.

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